Interview mit der Berliner Tierärztin Dr. med. vet. Ulla Olsen
Tierärztin Ulla Olsen, größtenteils in Stuttgart aufgewachsen, hat in den 90er Jahren in Berlin Veterinärmedizin studiert und war in dem studentischen Arbeitskreis ´Homöopathie` aktiv, den sie auch eine Zeitlang geleitet hat und Homöopathie-Seminare veranstaltete. Vorträge beim Berliner Verein homöopathischer Ärzte (BVhÄ) oder auch der Carstens-Stiftung hielt sie zum Beispiel über die homöopathische Behandlung der Epilepsie oder über Tumorerkrankungen bei Tieren. Eine Hospitation bei Dr. med. vet. Marc Bär in der Schweiz brachte ihr noch viele weitere Einblicke in die Veterinärhomöopathie. Nach dem Studium hat Ulla Olsen dann bundesweit 10 Jahre lang in verschiedenen Tierarztpraxen als Praxisvertreterin gearbeitet – auch in homöopathisch ausgerichteten. Zur Homöopathie gekommen ist sie aber bereits als Jugendliche in Stuttgart über ihren Hausarzt, aber auch über den Kontakt zu dem Arzt Ulrich Mezger, den Sohn des bekannten homöopathischen Arztes Julius Mezger. „Homöopathie hat mich immer begleitet“, erzählt Ulla Olsen im Gespräch mit dem BVhÄ und so erfüllte sie sich 2013 auch den Wunsch, eine eigene tierärztliche Praxis in Berlin zu eröffnen, mit dem Schwerpunkt Homöopathie.
Lässt sich die Homöopathie gut in Ihre Tierarztpraxis integrieren?
Ja, aber hauptsächlich deswegen, weil ich mich alleine selbstständig gemacht habe und ich so jedes Tier kenne und behandle. Ich therapiere auf dem neuesten Stand der Schulmedizin, mit allem, was in der Praxis dazu gehört. Viele Patienten kommen auch deswegen zu mir, aber viele von ihnen kann ich von der Homöopathie überzeugen. Bei mir füllt jeder ein Formular aus und kreuzt an, ob er an Naturheilverfahren / Homöopathie interessiert ist oder nicht – die allermeisten sind es. Bei einigen Tieren kann ich dann die Schulmedizin ausschleichen (- ie teilweise austherapiert sind – und zu homöopathischen Arzneien übergehen.
Wie setzen Sie die Homöopathie ein?
Ich mache mit ausgewählten Patienten eine rund zweistündige Anamnese, repertorisiere und wähle dann ein homöopathisches Einzelmittel aus, wende also klassische Homöopathie an. Das bedeutet, dass ich alle Symptome und Modalitäten ganz genau abfrage und zusammen trage. Schon bei der Anmeldung der Patienten werden von den Tierarzt-Helferinnen, die Besonderheiten notiert, die die Besitzer berichten. So entsteht von Besuch zu Besuch ein immer deutlicheres Bild von dem Tier. Ich brauche ja unbedingt Symptome, sehr gerne absonderliche Symptome, wie z.B., wenn eine Hundebesitzerin erzählt, dass ihr Hund Durchfall bekommt, wenn er große Mengen kaltes Wasser trinkt. Viele Tierhalter können diese besonderen Symptome oft leider gar nicht konkret benennen. So sammeln wir alles zusammen, ganz akribisch, denn das Tier kann uns ja nicht sagen, was ihm fehlt, aber über die Schilderungen, Zeichen, Riechen, Fühlen und die Diagnostik können wir es erkennen.
Mit welchen Erkrankungen kommen die Tiere?
Das ist im Grunde alles, was vorstellbar ist: die üblichen Erkrankungen wie Erbrechen , Durchfall, Schnupfen, Husten, Allergien, Juckreiz, Augenentzündungen, aber auch Epilepsie oder im Bereich der Tumorbehandlung, häufig auch für die postoperative Nachversorgung.
…und welche Tiere behandeln Sie hauptsächlich?
…alles, was man reintragen kann: hauptsächlich Hunde und Katzen, aber auch Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster, Vögel, seltener Reptilien.
Das heißt, die Homöopathie ist in Ihre tägliche Praxis integriert…
…genau, sie fließt hier völlig alltäglich ein. Da ich dem Tierhalter generell sage, was ich tue, erkläre ich auch, dass ich die Homöopathie als gleichberichtigte Medizin einsetze. Aber ich verwende auch homöopathische Komplexmittel, da sich nicht jedes Tier und nicht jeder Besitzer für eine klassisch-homöopathische Behandlung eignet. Ein Beispiel: Ich kastriere ein Tier und verabreiche schulmedizinische Arzneien, aber gebe auch immer ein Komplexmittel. Ich habe bei meinen Patienten fast nie Wundheilungsstörungen. Oder: es kommen Tiere mit schlecht heilenden Schnittwunden in meine Praxis. Trotz genauer Untersuchung, Tupferprobenentnahme, bakteriologische Untersuchungen, Antibiogramme hat das verordnete Antibiotikum nicht geholfen. Dann setze ich eine homöopathische Arznei ein und man kann zuschauen, wie die Wunde in wenigen Tagen verheilt.
Können Sie uns von einem aktuellen Fall erzählen?
Ja gerne: Es handelt sich um eine Katze, neun Jahre alt, sie war bereits bei zwei Kollegen in Behandlung: Sie hatte Zahnstein und verfaulte Zähne, wurde dort operiert und es stellte sich heraus, dass im rechten Unterkiefer eine tumoröse Veränderung vorlag. Der Unterkieferast befand sich schon in Auflösung, es handelte sich um ein Plattenepithelkarzinom. Im November 2019 konsultierten mich die Besitzer und baten um eine homöopathische Behandlung. Ich machte eine zweistündige Anamnese. Die Prognose war eine Überlebenszeit von ca. 1-3 Monaten. Die Katze war inappetent, schlapp uns lustlos, es war sehr schwierig ihr Medikamente einzugeben.
Durch das Repertorisieren kam ich auf eine Einzel-Arznei die ich mit der Potenz Q3 begann und alle 14 Tage um eine Potenzstufe erhöhte. Das Medikament schlug sehr gut an, das Allgemeinbefinden wurde sichtlich besser, die Gewichtszunahme, der Appetit und die körperlichen Aktivitäten gingen in ein normales Maß über. Die Lebensqualität, trotz des langsam wachsenden Tumors, wurde wieder hergestellt. Sie starb in Frieden ein halbes Jahr nach der Anamnese.
Sie sind Tierärztin von ganzem Herzen – welchen Anteil hat die Homöopathie daran?
Einen großen! Die Homöopathie ist eine Bereicherung, Ergänzung oder auch eine Alternative für die Schulmedizin, für die tägliche Praxis, denn ich sehe, dass ich nachhaltig helfen kann. Die Schulmedizin hat trotz toller Ansätzen häufig Grenzen und die die Homöopathie bringt hier sichtbar viele Vorteile. Dies liegt zum Teil an der Vorgehensweise, die auch einiges von einem abverlangt: zeitaufwendige Anamnesen, wahrnehmen der Patienten mit allen Sinnen, den Besitzern genau zuhören und die Lebensumstände der Tiere zu erfragen. Wie bei dem Fall der Katze beschrieben, habe ich die Ursache bzw. die möglichen Hinweise für die Arznei in ihrer direkten Umgebung gefunden. Aufwändig, aber es lohnt sich!