Interview mit Stefanie Nadler, Allgemeinmedizinerin
„Die meisten meiner Patienten haben eine erfolglose Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich“
Stefanie Nadler ist Allgemeinmedizinerin mit den Zusatzbezeichnungen Homöopathie und Naturheilverfahren. Nach vielen Jahren im Krankenhaus suchte sie eine Methode, die Patienten langfristiger und persönlich angemessener helfen kann – so kam sie zur Homöopathie.
- Warum sind Sie Ärztin geworden?
Ich wusste schon als Kind, dass ich Ärztin oder irgendwas, das mit Heilung zu tun hat, werden wollte. Vielleicht war es der bayrische Bergbauer, bei dem wir unsere Urlaube verbrachten, der uns ein Fläschchen selbstangesetzte Arnikaessenz schenkte, der mir den Weg wies? Ich habe jedenfalls mit Eifer Arnika auf die aufgeschlagenen Knie meiner Spielkameraden getupft…
- Warum haben Sie dann Homöopathie erlernt?
Nach sieben Jahren Krankenhausweiterbildung in der Chirurgie und Inneren Medizin war mein Wunsch groß, etwas zu finden, das Patienten langfristiger und persönlich angemessener hilft. Beim Naturheilkundekongress in Freudenstadt kam ich in Kontakt mit klassischer Homöopathie durch Dr. Jürgen Becker. Ich hatte sofort das Gefühl, dass das meiner Idee von ganzheitlicher, individueller Heilung näher kam als alles, was ich sonst kannte. Ich war entflammt und habe mich auf den Weg der homöopathischen Weiterbildung gemacht. Die Faszination und Neugier hält bis heute an: ich besuche viele Fortbildungen, insbesondere zu den enormen Weiterentwicklungen der letzten Jahre, die u.a. durch den globalen digitalen Kollegenaustausch, den Wissensvorsprung z.B. der indischen Kollegen wie Mahesh Gandhi, Sankaran, Joshis, die Erarbeitung eines homöopathischen Periodensystems durch Scholten, die Pflanzentabelle nach Michal Yakir und die Tierklassifizierung. All diese Neuerungen ermöglichen ein tieferes Verständnis der bisher gekannten Mittel und geben eine Orientierungshilfe bei der Verschreibung.
- Mit welchen Erkrankungen kommen Patienten zu Ihnen?
Zu mir kommen vor allem Patienten mit chronischen oder rezidivierenden Erkrankungen. In der Regel haben sie eine erfolglose Odyssee von Arzt zu Arzt, zu verschiedenen Methoden hinter sich oder vertragen die konventionellen Medikamente nicht, bzw. wollen nicht für den Rest ihres Lebens von diesen abhängig sein. Migräne, Reizdarm, rezidivierende Bronchitiden, Zystitiden, Heuschnupfen, Asthma sind häufig und können gut homöopathisch behandelt werden. Oft erfolgt eine Heilung, mindestens eine Linderung der Beschwerden. Es ist immer wieder schön zu erleben, wenn Kinder mit Asthma oder obstruktiven Bronchitiden ihre Medikamente absetzen können und lediglich seltenere Erkältungen und „normalen“ Husten bekommen. Oder wenn Kinder mit großen Ängsten und Vermeidungsverhalten plötzlich mutig und neugierig werden, ihre Unruhe sich legt, sodass sie sich in der Schule besser konzentrieren können und Erfolgserlebnisse haben. Patienten mit wiederkehrenden Magenschmerzen geht es deutlich besser, wenn man die Ursache, den Auslöser wie Kummer durch Trennung oder einen Todesfall, Ärger bei der Arbeit oder ungesundes Essverhalten mit dem jeweils passenden Mittel behandelt.
- Mit welchem Argument würden Sie einer Kollegin oder einem Kollegen raten, mit Homöopathie zu beginnen?
Wenn man viel Zeit und Aufmerksamkeit aufwendet, und dadurch ein tiefes Verständnis für seinen Patienten bekommt, sind die Heilungserfolge und der menschliche Kontakt tief befriedigend. Das zu erleben in der täglichen Arbeit, die viele konventionelle Kollegen als ermüdend, frustran und wie am “Fließband“ beschreiben, kann ich nur jedem jungen Kollegen empfehlen. Jeder neue Fall ist ein menschliches Universum, das ich kennenlernen darf und oft wie ein Geschenk empfinde. Ich erlebe es so spannend wie Detektivarbeit und würde mich langweilen, wenn ich jeden Magenschmerz mit Protonenpumpenhemmern und jede Angina mit Penicillin behandeln müsste.